BAUHAUS GANZ NAH – ÜBERNACHTEN IN DEN ATELIERZIMMERN DER AVANTGARDE

11.  August 2022
Ein Artikel von: Monika Kaiser

STIFTUNG BAUHAUS DESSAU

Dessau ist mit seinen vielen noch im Original erhaltenen Bauten der Bauhauszeit die Bauhaus-Stadt in Deutschland. Seit 2019, dem Jahr der Eröffnung des neuen Bauhaus-Museums, lockt die Stadt immer mehr Architekturbegeisterte an, und dies trotz der herben Schönheit ihrer sichtbaren industriellen Vergangenheit. Anders als in Weimar, wo das Bauhaus gegründet wurde, ist es keine Liebe auf den ersten, sondern eher auf den zweiten Blick. Denn den weltbewegenden Entwicklungen der damaligen „neuen“ Zeit kann man nur in Dessau in dieser einzigartigen Konzentration und Ausgiebigkeit nachspüren.

KONTAKT

Stiftung Bauhaus Dessau
Gropiusallee 38
06846 Dessau-Roßlau

Tel.: +49 340 6508 250
Email: service@bauhaus-dessau.de
Web

 

 

 

 

Als ganz besonderen Clou für eine Bauhaus-Tour nach Dessau hält die Stiftung Bauhaus die Möglichkeit bereit, es den Bauhäusler*innen gleich zu tun. Sie bietet Übernachtungen im ehemaligen Studentenwohnheim des Bauhauses an. Das Wohnheim, in Anlehnung an die Weimarer Zeit Prellerhaus genannt, wurde direkt an die Reformschule angebaut, denn ein zentraler Gedanke der Bauhauspädagogik war es, das gemeinsame Leben und Arbeiten zu fördern. Die damals hochkomfortablen Atelierwohnungen wurden in Form eines eigenen kleinen Hochhauses an die Schule angegliedert. Von dort aus konnte man durch die sogenannte Verbindungsebene – den Raum, der von der Aula zur Kantine führt – direkt ins Erdgeschoss des Studentenwohnheims gelangen.

Ein weiterer Außeneingang führt uns in das 4-stöckige Wohnheim, dessen Etagen im Inneren durch unterschiedliche Deckenfarben gekennzeichnet waren und bis heute sind, denn die farbliche Gestaltung des Gebäudes wurde originalgetreu rekonstruiert. Leider können wir hier keine Fotos von der Inneneinrichtung des Prellerhauses zeigen, da diese durch copyright streng geschützt sind.

Der Blick nach oben ins Treppenhaus reiht sie uns nacheinander auf, die blaue, rote, gelbe, und weiße Etage, um dann im schwarzen Dachgeschoss zu enden. Während der Bauhauszeit beherbergte das Wohnheim 28 Atelierzimmer, die mit Bauhausmöbeln, Wandschränken und fließend kaltem Wasser ausgestattet waren. Auf jeder Etage gab es 7 Atelierwohnungen, 20 m² groß und heiß begehrt. Die Studierenden mussten sich jährlich erneut um einen Wohnheimplatz bewerben, denn die Zimmer wurden nicht auf Dauer vergeben. Mit der Zeit bürgerte es sich ein, dass in der ersten, blauen Etage die Studentinnen der Webereiklasse wohnten. In den darüber liegenden Etagen – der roten und der gelben – waren Studierende anderer Werkstätten untergebracht, während die oberste, weiße Etage den künftigen Architekten vorbehalten war. Die 7 Atelierzimmer lagen entlang eines langgestreckten Korridors, an dessen Ende sich eine Teeküche mit Außenbalkon befand. Auch heute noch befindet sich dort eine Teeküche, die, wie einst, heutigen Gästen zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung steht.

Eine Übernachtung in diesem schlicht gestalteten Bauhaus-Ambiente ist die authentischste Art, dem Lebensgefühl jener Zeit etwas näher zu kommen, zumal es reinszenierte Räume gibt, deren Mobiliar an historischen Vorbildern angelehnt und zum Teil sogar nachgebaut ist. So findet man im Alfred-und-Getrud-Arndt-Zimmer, im Ehepaar-Albers-Zimmer und im Franz-Ehrlich-Zimmer Nachbauten von Originalmöbeln. Auch die nicht reinszenierten Zimmer greifen in der Auswahl ihrer Möbel und in ihrer Materialität, wie zum Beispiel der Gestaltung des Bodens und einzelner Elemente, etwa Steckdosen und Lampen, die Bauhaus-Ästhetik auf. Es gibt sogar noch ein originalgetreues Wohnheimzimmer zu mieten – das „Zimmer des unbekannten Bauhäuslers“. In seiner Innenausstattung folgt es komplett dem damaligen Standardprogramm: Schlafnische mit gewebter Tagesdecke, Einbauschränke, Waschnische, Tisch und Stuhl sowie den Austritt auf den vorgefertigten Kleinstbalkon.

Marianne Brandt weiß über die Nutzung des Gebäudes mit seinen charakteristischen Balkons Beängstigendes zu berichten: „Als Gropius sein Werk, das eben bezogene Bauhaus in Dessau, zu betrachten gedachte, bekam er einen nicht geringen Schrecken, da er feststellen musste, dass seine Bauhäusler Flachdach und Atelierfront zu Balanceübungen und als Fassadenkletterer benutzten. Später hatte man sich daran gewöhnt.“

Die Experimentierfreude und Phantasie der noch jungen Studierenden zeigt sich gerade in ihrem unbekümmerten Umgang mit dieser Architektur, die in manchen Details heute nicht mehr den Ansprüchen der Bauaufsicht genügen würde. Aus denkmalpflegerischen Gründen bleibt sie erhalten und darf in diesem Zustand auch genutzt werden.

Nicht aber ohne den Hinweis „Eltern haften für ihre Kinder“, denn schnell könnte auch heute noch ein unbekümmertes Kind im Treppenhaus oder auf einem der Balkons eine gefährliche Eigendynamik entwickeln.

Zeitgenössische Annehmlichkeiten wie W-LAN, Fön oder Fernseher gehören nicht zum Ausstattungsprogramm für Gäste. Wohl aber gibt es eine Etagendusche der besonderen Art. Da man den Charakter des Wohnheims erhalten und den bauzeitlichen Zustand erlebbar machen wollte, hat man in den Atelierzimmern auf der rechten Seite des Flures den Grundriss zwar beibehalten, jedoch hochmoderne Duschen und Waschgelegenheiten eingebaut. So hat man einen ansprechenden, zeitgemäßen Sanitärbereich geschaffen, der als Kompromiss zwischen denkmalpflegerischem Anliegen und zeitgenössischen Ansprüchen überzeugt. Die bauzeitliche Toilette befindet sich – ebenfalls als Etagenklo – direkt daneben.

Um das Gemeinschaftsleben auf dem Bauhausgelände nachzuempfinden, empfiehlt sich ein Besuch der Kantine, die auch heute in der Mittagszeit einfache Menüs anbietet, oder des Café-Bistros im Souterrain des Bauhausgebäudes. Nach einer Nacht im avantgardistischen Ambiente lässt sich im Bistro prächtig frühstücken – kostenloses W-LAN inklusive. Denn bei der Übernachtung im ehemaligen Studentenwohnheim ist das Frühstück nicht inbegriffen, dafür sind die Preise der Stiftung Bauhaus für das authentische Wohnerlebnis vergleichsweise moderat. Zu buchen sind die Studentenzimmer über den Besucherservice der Stiftung Bauhaus Dessau, telefonisch oder per Email oder über das Buchungsformular auf der Webseite der Stiftung.

MONIKA

„Wer gerne mit einem grandiosen Blick auf die Stadtsilhouette Dessaus am Morgen erwachen möchte und das Authentische liebt, der wird sich in den Wohnheimzimmern des Bauhauses sehr wohl fühlen.“

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