Ein schöner Moment ist das Auswickeln – DIE GESCHICHTE VON BARBARA UND IHRER PFLANZENFARBEN-MANUFAKTUR

19. November 2020
Ein Artikel von: Anja Uebe

PFLANZENFARBEN-MANUFAKTUR – MAGDEBURG

Es ist ein kühler Herbstmorgen in Sudenburgs Fichtestraße, und ich bin heute in der Pflanzenfarben-Manufaktur mit Barbara verabredet. Die Tür zum Atelier ist schon geöffnet, die frische Morgenluft strömt herein. Barbara empfängt mich mit einem warmen Lächeln, und ich habe das Gefühl, sie schon lange zu kennen.

Während im Wasserkocher das Teewasser blubbert – ich habe mich für einen Tee aus der blauen Schmetterlingserbse entschieden – schweift mein Blick über Ballen alten Leinens, Schnittmuster, getrockneten Eukalyptus und bleibt bei einer alten Waschmaschine und einer Schleuder hängen, thronend auf dem typischen Gummiring. Spontan fühle ich mich an Waschtage in meiner Kindheit erinnert.

„Da haben letztens 8 Mädchenhände draufgelegen“, erzählt Barbara lachend. „Sie waren ganz schön durchgeschüttelt, nachdem der Schleudergang mit ihren frisch gefärbten Kunstwerken fertig war.“

„Für mich gibt es zwei ganz schöne Momente beim Färben. Der erste ist der Augenblick, wenn man beobachten kann, wie die Farbe in die Flotte auf den Stoff aufzieht. Und beim Färben von gemusterten Stücken ist es immer wieder ein Überraschungsmoment, wenn der Stoff glattgezogen und das Muster im Ganzen bewundert wird.”

Wir setzen uns an den Tisch, trinken Tee, essen selbstgebackenen Bienenstich. Barbara erzählt: Wie man darauf kommt, eine Pflanzenfarben-Manufaktur zu eröffnen, von ihrer 20-jährigen Tätigkeit in der Umweltforschung, immer draußen unterwegs, weltweit, Projekte in Kanada, auf einer Südseeinsel – immer mit der Natur verbunden. „Irgendwann war absehbar, dass diese schöne Tätigkeit ein Ende finden würde. Meine Tochter war 12, ich wollte hier bei meiner Familie bleiben.“ In der Firma ihres Mannes arbeitete sie zunächst an Verfahren mit, Farbstoffe aus Pflanzen zu gewinnen und deren Qualität zu kontrollieren.

Dann im Sommer 2017 trifft sie auf ihren „Meister“. Er ist der Leiter ihres ersten Kurses in Shibori, einer japanischen Färbetechnik mit 1500-jähriger Tradition. “Wickeln, Nähen, Abklemmen – so wurden früher die japanischen Kimonos bemustert”, erklärt Barbara. “Diese 10-tägige Auszeit in einem gottverlassenen Dorf im Süden von Berlin, das umfangreiche Wissen dieses Mannes und seine Perfektion, der Umgang mit uns Teilnehmern – all jenes war ganz ausschlaggebend für die Entscheidung, mich weiter und intensiver mit der Pflanzenfärberei zu beschäftigen.” Im Ergebnis daraus entsteht die Pflanzenfarben-Manufaktur.

“Allein für das Färben von Blau gibt es eine Sammlung von Rezepten aus 2 Jahrtausenden…”

Das Färben mit Pflanzen ist ein mehr als 3000 Jahre altes Handwerk. „Ich bin fasziniert von Färberezepten aus dem Mittelalter. Mit diesen wurden ohne komplizierte technische Hilfsmittel wunderschöne, haltbare und lichtechte Farben für Textilien und Leder hergestellt.“ Im Selbststudium eignet Barbara sich umfangreiches Wissen aus alten Büchern an. „Allein für das Färben von Blau gibt es eine Sammlung von Rezepten aus 2 Jahrtausenden. Ich habe ein altes englisches Färbebuch – da gibt es keine Kapitel. Das muss man einfach durchlesen und erhält die wertvollen Informationen.“ Alle Theorie nutzt nichts ohne die Praxis. Aus vielen Färbeprozessen entwickelt sich ein riesiger Fundus an Erfahrung. „Ich bin von Natur aus neugierig und freu mich, wenn ich was rauskriegen kann.“

KONTAKT

Textilkunst-Werkstatt
Dr. Barbara Zippel
Fichtestraße 45
39112 Magdeburg

Telefon +49 152 31 87 80 32

www.pflanzenfarben-manufaktur.de

ÖFFNUNGSZEITEN WERKSTATT

Mo – Fr: 14 – 18 Uhr
2. Samstag im Monat: 10 – 16 Uhr

In Workshops gibt sie die Technik des Blaufärbens in Shibori weiter, sie ist dabei die Einzige in Sachsen-Anhalt. “Es gibt unzählige verschiedene Muster, an die 20 davon beherrsche ich momentan.” Barbara zeigt auf drei gerahmte, in Indigo gefärbte Kunstwerke, die sie mit dieser Methode angefertigt hat. Im Schnupperkurs für “Große” erhalten Lieblingstextilien faszinierende Muster und Strukturen oder eindrucksvolle Farbverläufe. Nebenbei unterhält Barbara ihre Kursteilnehmer mit kurzweiligen Geschichten, in denen sie ihr unglaubliches Wissen zum Färben gern weitergibt.

Wickeln, Nähen, Abklemmen: “Für mich gibt es zwei ganz schöne Momente beim Färben. Der erste ist der Augenblick, wenn man beobachten kann, wie die Farbe in die Flotte auf den Stoff aufzieht. Und beim Färben von gemusterten Stücken ist es immer wieder ein Überraschungsmoment, wenn der Stoff glattgezogen und das Muster im Ganzen bewundert wird.“

Tipp von Barbara: Wenn mal keine Malfarben im Haus sind aber ein Rotkohl – den Kohl schreddern, im Mörser mit etwas Wasser die „Tinte“ herausquetschen, auf 5 Gläschen verteilen. Jeweils einmal Natron, Backpulver, Hirschhornsalz, Pottasche und Zitrone dazu tun – beobachten und staunen, wie die Rotkohltinte sich verändert – dann mit dem Finger auf Aquarellpapier ein Kunstwerk zaubern – gebt gern mal ein Feedback!

Kindergeburtstage können in ihrem Garten stattfinden, in dem sie die einheimischen Färbepflanzen auch anbaut: Reseda für Gelb, Krapp für Rot, Waid für Blau. „Guckt, so sieht die Pflanze aus – daraus färben wir jetzt eure T-Shirts.“

Fortgeschrittene nutzen montags die offene Werkstatt und verfeinern ihre Künste für die Gestaltung unterschiedlichster Textilien.

Ihre hochwertigen Pflanzenfarbenextrakte garantieren, dass ein Farbton immer gleich ausfällt. Zum anderen muss die Lichtechtheit gewährleistet sein. “Du willst ja nicht, dass deine Kunstwerke in der Sonne ausbleichen oder beim Waschen verblassen. Da steckt viel Detailwissen drinnen. Zum einen um alte Rezepturen, aber auch ganz pragmatische Kenntnisse in Chemie, Physik und Biologie.”

Für die neue Produktlinie eines beliebten Wollgeschäftes  färbt sie Wolle in 14 ausgesuchten Farben nach eigener Rezeptur. Für einen anderen Auftrag nehmen Ziegenhaare den gewünschten Farbton an. Ihre Bilder in Shibori-Technik waren schon Mittelpunkt einiger Kunstausstellungen.

Jetzt will sie ihre Rezepturen und ihre Erfahrung mit einer Kollektion schlichter Kleidung in klarem japanischen Design verbinden. Die Modelle aus feinem Leinen sind fertig und werden demnächst in einer größeren Färberei in Bayern eingefärbt. „Die wesentliche Herausforderung dabei ist es, die ausgeklügelte Rezeptur für den 30-Liter-Färbetopf der Werkstatt auf die 600 Liter Fassungsvermögen in der professionellen Textilfärberei anzupassen und exakt das gleiche Farbergebnis zu erreichen.”

Die fertige Kollektion ist dann auf der “Klamottage Naturelle” zu bewundern – einer etwas anderen Modenschau, die noch für diesen Herbst geplant ist.

ANJA

„Zuhause habe ich noch altes Leinen, das meiner Großmutter gehörte – das bekommt demnächst ein Färbemuster mit Eukalyptusblättern. Ich bin gespannt auf den Moment, wenn der Stoff ausgewickelt wird….“

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert