HIGHTECH UND HANDWERK – DIE ELBKÄSEREI VOCKERODE

23. Juli 2021
Ein Artikel von: Monika Kaiser

ELBKÄSEREI VOCKERODE

Fährt man vom Gartenreich Wörlitz auf der Griesener Straße in Richtung Waldersee nach Dessau, so taucht in der Landschaft des Biosphärenreservates Mittelelbe, schon von Weitem sichtbar, die markante Kulisse des nach 1994 stillgelegten Kraftwerks Vockerode auf. Das gigantische Braunkohlekraftwerk, das 1937-1940 erbaut wurde, zählt zu den Meisterleistungen des Industriebaus und dominiert, vom Zeitgeist des Nationalsozialismus geprägt, monumental die Silhouette des kleinen Ortes an der Elbe, dessen Leben eng mit ihm verknüpft war. In einer leichten Straßenbiegung, vor dem Ortseingang von Vockerode, trifft man auf das Anwesen der Agrargenossenschaft Wörlitz, die dort seit etwa 2 Jahren einen kleinen Hofladen betreibt: die Elbkäserei. Dort werden aus heimischer Rohmilch selbst kreierte und handwerklich gefertigte Käsesorten verkauft. Ein stärkerer Kontrast ist kaum denkbar, es ist als träfe David auf Goliath, und ein bisschen ist dies auch die Geschichte, die zur Entstehung der Elbkäserei geführt hat.

Sie fertigen handwerklich Käse, so wie es in Süddeutschland und auch in Österreich noch geschieht.

Steffen Dalichau erzählt mir von der Gründung der Agrargenossenschaft Wörlitz, die 1990 aus dem Zusammenschluss von drei landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften entstanden ist. Zusammen mit der Gründerfigur Volker Ziegler lenkt er die Geschicke der Genossenschaft und verfolgt das Ziel, den landwirtschaftlichen Großbetrieb, trotz diverser Umbrüche, wirtschaftlich weiterführen zu können. Der radikalste Wandel setzte gleich nach der sogenannten „Wende“ ein, sowohl für die Natur als auch für die Landwirtschaft. Das Biosphärenreservat, das seit 1979 – zunächst im Naturschutzgebiet Steckby-Lödderitzer Forst – seinen Anfang nahm, wurde Stück um Stück erweitert, die Industrie zurückgedrängt, und in diesem Prozess holte sich die Natur das zurück, was sie über lange Zeit eingebüßt hatte. Heute bewegen wir uns hier in einer traumhaft schönen Naturlandschaft, in der auch die Agrargenossenschaft ihre Felder bewirtschaftet und dabei den Erhalt der Biosphäre im Blick haben muss. Also keine Gentechnik auf den Feldern, versichert Steffen, und sogar das Soja, welches als Futter für die Kühe angebaut wird, wächst auf den heimischen Feldern rund um Wörlitz. Die Futtermittel, die in einer eigenen Mühle aufbereitet werden, stammen zum Teil aus ökologischem, aber auch aus konventionellem Anbau. Man ist sich der ökologischen Verantwortung wohl bewusst, setzt auf eigene Ressourcen, wo es geht, muss aber flexibel und wirtschaftlich handeln, um im Kampf mit den ständig sinkenden, durch die Großmolkereien diktierten Milchpreisen überleben zu können.

“Wir wollen zeigen, was Bauern eigentlich können.”

Im Jahr 2016 kommt den beiden Unternehmenslenkern die zündende Idee! Wie wäre es, die gute Milch nicht nur zu Dumpingpreisen verkaufen zu müssen, sondern selbst etwas daraus zu machen? Und zwar ein kostbares Lebensmittel, nämlich einen handwerklich gefertigten Käse, so wie es in Süddeutschland und auch in Österreich noch geschieht. Gedacht, getan. Volker macht sich auf den Weg in diese Gegenden, lässt sich dort in der handwerklichen Käseherstellung ausbilden und bringt dieses Wissen nach Vockerode. „Er war der Erste, der wusste, was Käsemachen bedeutet, das war alles Neuland für uns“, sagt Steffen über den Anfang der Elbkäserei. Sie setzen bewusst auf Regionalität, wollen eine kleine feine Käserei betreiben, die von der frisch gemolkenen, noch kuhwarmen Milch – ohne Zwischenlagerung – direkt zur Käseherstellung auf dem eigenen Hofgelände übergeht. „Wir wollen zeigen, was Bauern eigentlich können“, sagt er und denkt bereits darüber nach, wie elementares Wissen über die Entstehung unserer Nahrung, das in der modernen, städtisch und industriell geprägten Gesellschaft verloren gegangen ist, künftig auch durch den Hof der Agrargenossenschaft vermittelt werden könnte. Zwar wird für die Käserei nur ein kleiner Teil der Milchproduktion eingesetzt – der Großteil geht weiterhin an die Großmolkerei – aber der unerwartete Erfolg der Elbkäserei gibt ihren Gründer*innen Recht. Schneller als gedacht, entwickelt sich ein regionaler Abnehmer*innenkreis. Ein Sortiment aus 8 Grundkäsesorten, erweitert durch weitere saisonale Käsesorten, etwa mit Bärlauch oder Walnüssen angereichert, erfreut sich großer Beliebtheit bei regionaler Hotellerie und Gastronomie. Die Manpower von Volker, der sich altersbedingt aus dem Käsegeschäft zurückgezogen hat, wird seit einem Jahr durch die zertifizierten Nachwuchskäserinnen Beate Maiwald und Jessika Sanftenberg ersetzt, auf die der gesamte Betrieb mit Stolz blickt. Sie haben nun die handwerkliche Produktion von Auenländer, Münsterberger, Griesener und Wörlitzer Käse, um nur einige Käsesorten zu nennen, übernommen und dem Lebensmittel Milch eine kleines bisschen seiner Würde zurückgegeben – David gegen Goliath eben. Übrigens spiegeln die Namen der Käse bewusst den Ursprungsort des Nahrungsmittels wider, die Naturlandschaft des Biosphärenreservats Mittelelbe, aus der sie stammen. Dabei ist der Vockenröd der älteste Käse im Sortiment, der mit der längsten Reifezeit.

KONTAKT

Agrargenossenschaft Wörlitz e. G
OT Vockerode
Griesener Strasse 33
06785 Oranienbaum-Wörlitz

Tel.: 034905 – 4150
Web

ÖFFNUNGSZEITEN

Do-Fr 14:00 – 18:00 Uhr
Sa 9:00 – 12:00 & 13:00 – 17:00 Uhr

Da die Elbkäserei personalbedingt eingeschränkte Öffnungszeiten hat, nämlich donnerstags und freitags von 14:00-18:00 Uhr und samstags von 9:00-12:00 und von 13:00-17:00 Uhr, will die Genossenschaft bald einen Warenautomaten auf dem Gelände aufstellen, damit Kund*innen, die spontan vorbeischauen, nicht enttäuscht von dannen ziehen müssen, denn die Käsesorten aus Vockerode erfreuen sich zunehmender Nachfrage und haben bereits Preise gewonnen. Für die gute handwerkliche Qualität der eigenen Käseproduktion spricht auch die Aufnahme der Elbkäserei in das Verzeichnis der Milch- und Käsestraße Sachsen-Anhalt, auf deren Webseite 13 handwerkliche Käsebetriebe im ganzen Land vorgestellt werden.

MONIKA

Wenn man eine Fahrradtour im Wörlitzer Gartenreich unternimmt und dabei einen Abstecher nach Vockerode oder auch in die Elbauen macht, dann bietet es sich an, den leckeren Käse der Elbkäserei im Vorbeifahren mitzunehmen. Ich werde das bestimmt das nächste Mal machen, wenn ich dort bin. Den leckeren Käse bekommt man in seiner breiten Auswahl nur dort – hoffentlich steigen künftig ein paar regionale Geschäfte in den Verkauf des Käses ein, denn ich käme gern öfters in diesen Genuß.

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